Universität GH Essen

Wintersemester 1997/98

Seminar: Öffentlich und privat in der Sprache der Massenmedien

Referentin: Heidi Skirde

 

 Die Sprache in EXPLOSIV

Oder: Die unglaubliche Geschichte des Herrn A.

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

1. Einleitung

 

2. Der zugrundeliegende Text

Beitrag vom 12. November 1997 – die Fresssucht des Herrn A.

 

3. Textanalyse

3.1 Wörter

3.1.1 Partikeln

3.1.2 Wortwahl – Substantive, Verben, Adjektive, Synonyme

3.2 Sätze

3.3 Ergebnisse

 

1. Einleitung

 

Das Boulevard-Magazin „Explosiv“ gehört seit 1992 zu einer der meistgesehenen Sendungen im deutschen Fernsehen. Jeden Tag zwischen 19.10 Uhr und 19.40 Uhr werden in der RTL-Sendung rund vier bis fünf Themen präsentiert. Die Redakteurin und Moderatorin, Barbara Eligmann, ist mit ihrem „unterkühlt-distanzierten Charme“ (Reginald Rudorf, rundy) zum Aushängeschild dieser vielkritisierten Sendung geworden. Über das Konzept des Magazins sagt der RTL-Magazinchef Hilmer Rolff:

 

„Boulevard-Journalismus fängt bei und da an, wo die reine Nachricht aufhört. In den News geht es um das Ereignis an sich. Bei EXPLOSIV um die Auswirkungen des Ereignisses auf die Menschen. Was empfinden sie, in Situationen, die ihr Leben verändern. Übrigens etwas, was jedem von uns täglich passieren kann.“

 

Wie bei den meisten Boulevard-Zeitungen halte ich auch bei dem Fernsehmagazin Explosiv viele der Berichte für unseriös. Wenn Menschen, deren Familienangehörige bei einem Hausbrand ums Leben gekommen sind - um nur ein sehr extremes Beispiel zu nennen - direkt nach dem Unglück befragt werden, wie sie sich denn nun fühlen, grenzt dies meiner Meinung nach schon sehr an Geschmacklosigkeit.

Obwohl die Macher des Magazins beteuern, dass sich jede Geschichte, die gezeigt wird, auch so zugetragen hätte, lassen meiner Meinung nach viele Beiträge an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. Zumindest werden in der Sendung Geschichten durch geschickte Sprache verfälscht dargestellt. Diese Behauptung hat sich mir besonders durch den in dieser Arbeit vorliegendem Beitrag bestätigt. Wolf Schneider bemerkt zu dem Wort „aktuell“, mit dem sich „Explosiv“ gerne selbst charakterisiert:

aktuell heißt „für die Gegenwart bedeutsam“ - nicht aber „ gegenwärtig, derzeitig“ und schon gar nicht „tatsächlich, wirklich“ wie engl. actual/frz. actuel.[1]

Der vorliegende Beitrag wurde von mir aus Gründen, die ich weiter unten aufführen werde, ausgewählt. Er soll ein Beispiel sein, muss aber keine Allgemeingültigkeit besitzen.

Trotz aller Vorbehalte verzeichnet Explosiv Quoten-Rekorde:

 

„Über Anspruch und Seriösität mag der Fernsehpurist zwar diskutieren, aber sechs Millionen Zuschauer können zumindest in einem nicht irren: Barbara Eligmann ist auf den Bildschirm der knallharte und etwas unterkühlte Profi, der Boulevardgeschichten mit Sex, Crime und ein wenig Herz-Schmerz glaubwürdig verkauft.“            (Carsten Rave, dpa)

 

Warum ist Explosiv so erfolgreich? Diese Arbeit ist ein Versuch die Struktur und Funktion der in dem Magazin verwendeten Sprache transparent zu machen und darin eine mögliche Antwort auf diese Frage zu finden.

Ich beziehe mich hierbei auf die Explosiv-Sendung vom 12. November 1997. Innerhalb dieser Sendung wurde ein Beitrag gezeigt, den ich transkribiert habe (Abschnitt 2.1.). Dieser Text soll die Grundlage meiner Arbeit sein.

In Abschnitt  soll der Text auf syntaktischer, semantischer und grammatischer Ebene analysiert werden. Zunächst wird die Bedeutung und Funktion von bestimmten Wörtern innerhalb der Textkonstitution untersucht. Danach soll untersucht werden, welche grammatischen und semantischen Eigenschaften die Sätze in dem Text vorweisen. Diese Text-Merkmale sollen kritisch an den Schreibregeln für Journalisten (nach Schneider) und den Nachrichtenregeln (nach Staab) überprüft werden. Hierbei soll die Bedeutung des Textes für die Rezeption, also für den Zuschauer geklärt werden. Der Aspekt der privaten und öffentlichen Sphäre der Sprache in den Massenmedien soll hierbei besondere Beachtung geschenkt werden.


2. Der zugrundeliegende Text

 

Der folgende Beitrag ( 2.1.) wurde von mir auf Video aufgezeichnet und mitgeschrieben. Ich habe versucht den gesprochenen Text möglichst genau wiederzugeben. Die Interpunktion wurde von mir frei, jedoch nach logischen Gesichtspunkten, gesetzt. Ich bezeichne den Text mit der Überschrift „Die Freßsucht des Herrn A.“. Dieser Text dient als Grundlage für die Textanalyse.

Beitrag vom 12. November 1997 - Die Freßsucht des Herrn A.

 

 

Eligmann Sagen Sie mal: Wieviel Brötchen essen Sie zum Frühstück? Zwei? Drei? Ein Mann aus Hessen verputzt locker zwanzig und hat danach immer noch Hunger. Er mästet sich und bleibt doch ein dünner Hering. Von Bauchspeck keine Spur. Denken Sie jetzt nicht an Bulimie. Es geht um Freßsucht, und das ist eine richtige Krankheit. Boris Bittner hat den Vielfrass beim Essen beobachtet. (Einblendung des Films)

 

Berichterstatter Fritten zum Frühstück. Für Heinz Asthoff aus Offenbach ist das völlig normal. Doch nicht nur das...

 

O-Ton Asthoff (steht an der Kasse eines Schnellrestaurants und bestellt): Guten Morgen. Zehn Hamburger....eine Cola.....und einmal Pomm Fritz.

 

Berichterstatter Denn wenn Heinz Asthoff Essen bestellt, bestellt er für zehn - und isst doch alles selbst. (Die Kamera schwenkt auf eine Uhr im Schnellrestaurant.)

          Morgens halb zehn in Deutschland. Wo anderen allein beim Gedanken an Hamburger übel wird, wird der Frührentner Heinz Asthoff vor unseren Augen gleich zehn davon verspeisen    - und hat danach noch Hunger. Denn Heinz Asthoff ist seit zwei Jahren freßsüchtig. Bei Hamburger Nr. 7 beginnt das Interview.

 

O-Ton Asthoff  Ich hab’ jetz’ sieben Hamburger gegessen, wie sie sachten.....aber wenn ich jetz’ aufsteh’, ich meine das drückt, weil das ja spannt....aber wenn ich jetzt aufsteh’ und gehe dort ungefähr dort zwei, drei Minnuten herum, dann hab’ ich ein Gefühl.....ob der  ganze Magen hohl is, nä...ob ich nix gegessen hätte.

 

Berichterstatter (Die Kamera ist auf Herrn Asthoff gerichtet, der zitternd einen Hamburger isst.): Er zittert nicht, weil er Hunger hat. Heinz Asthoff war Bergkumpel. Bei einem Grubenunglück werden einige Nerven verletzt. Als seine Frau stirbt, beginnt er zu trinken, ist aber seit sechs Jahren trocken. Doch nach dem Trinken kam langsam die Freßsucht.

 

O-Ton Asthoff  Früher hab’ ich normal gegessen, ganz normal, genauso wie andere, nä, da hab’ ich auch ma, will mal sagen, so zwei, drei Brötchen gegessen, nä, aber wovon is das gekommen? Seitdem ich keinen Alkohol mehr trinke und das hab’ ich auch die Ärzte schon gesacht. Und die Ärzte haben gesacht, sie sind aber kerngesund!

 

Berichterstatter  Zehn Minuten braucht er um fast sein ganzes Tablett leer zu essen. Pro Tag verschlingt er bis zu 8000 Kalorien. In unserem Fall: Zehn Hamburger, einmal Fritten, zwei Cola, sechs gefüllte Teilchen und ein warmes Abendessen. 8000 Kalorien - die Menge eines Spitzensportlers - ohne zuzunehmen.

          Heinz Asthoff ist ein Phänomen. Auch für seinen Hausarzt Dr, Henning Hüsch. Denn obwohl sein Patient krankhaft isst und isst, gibt es dafür keine Ursache. Heinz Asthoff ist organisch völlig gesund. (Im Bild ist Herr Asthoff mit seinem Arzt, der ihn gerade mit Ultraschall untersucht.)

 

O-Ton Arzt  Der Zustand des Magens entspricht den eines gesunden Menschen, also... wir können aufgrund der, äh, der Untersuchungen, äh, die uns derzeit möglich sind, nicht sagen, dass er da eine krankhafte Veränderung hat.

 

Berichterstatter Obwohl Herr Asthoff soviel isst, hält er ein normales Gewicht von 90 Kilo. Er ist ein medizinischer Ausnahmefall. Egal, was  er zu sich nimmt, es setzt nicht an. Sein Körper verbrennt die Kalorien ähnlich wie ein Hochofen.

 

O-Ton Arzt Jede Energie, die im Körper entsteht wird ja als Wärme abgestrahlt. So muss man sich das vorstellen. Er kriegt auch kein Fieber. Er verbrennt das. Und das, was er braucht, nimmt sich der Körper und, was er nicht braucht, das verbrennt er. Alles andere, äh, is, äh, nur vage Hypothese, wir wissens nicht weiter.

 

Interviewer Mit anderen Worten: Er verdunstet sein Fett?

 

O-Ton Arzt So könnte man es nennen, ja.

 

Berichterstatter Ernährungswissenschaftlerin Annette Braun erklärt uns anhand wassergefüllter Ballons wieviel ein Magen eigentlich aufnehmen kann.

 

O-Ton Braun (zeigt zwei unterschiedlich gefüllte Ballons in die Kamera und kommentiert): Hier haben wir einen Magen, der hat eine normale Füllmenge von ungefähr ein bis anderthalb Liter, und hier drüben haben wir einen sehr stark erweiterten Magen, der fast ungefähr das Doppelte, das heißt ungefähr zwei bis drei Liter. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ein solcher Magen nach dem Essen nicht zu Beschwerden führt.

 

Berichterstatter Heinz Asthoff überdehnt seinen Magen mit seinen Freßorgien jeden Tag. Und auf die Toilette muss er selten.

 

O-Ton Asthoff Eima, eimal in der Woche oder höchstens zweimal in der Woche.

 

Interviewer Haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie platzen?

 

O-Ton Asthoff Garnich...garnich. Die Ärzte sagen ja selbst, so, sowas haben wir noch nicht erlebt, so’n Mensch wie sie hab’ ich noch nie erlebt. Gibt’s nich’.

 

Berichterstatter Keine Schmerzen, keine Gewichtszunahme, keine sonderlich erhöhten Cholesterin-Werte. Heinz Asthoff ist noch ein Rätsel für die Medizin. Er hofft, daß er einen Arzt findet, der ihm helfen kann. Denn wirklich leisten kann er sich das viele Essen von seiner Frührente schon lange nicht mehr.

 


3. Textanalyse

 

Ein Fernseh-Beitrag, wie er in dieser Arbeit verschriftlicht vorliegt, kann unter inhaltlich-thematischen Aspekt als eine sprachliche Einheit angesehen werden. In diesem Abschnitt soll der vorliegende Beitrag einer linguistischen Textanalyse unterzogen werden. Es soll sowohl die Textstruktur als auch die Textfunktion untersucht werden.

Der Text lässt sich in drei Untertexte einteilen, die miteinander im Zusammenhang stehen:

 

                            1) Text der Moderatorin (Einleitung)

                            2) Text des Berichterstatters

                            3) Text des Interviewpartners (Original-Töne)

                                 a) O-Ton Heinz Asthoff

                                 b) O-Ton Dr. Henning Hüsch (Arzt)

                                 c) O-Ton Ernährungswissenschaftlerin Braun

                                 (d) O-Ton Interviewer)

 

Der Text der Moderatorin fungiert als Einleitung. Der Rest des Beitrages ist ein ständiger Wechsel zwischen dem Text des Berichterstatters und den Texten der Interviewpartner, den O-Tönen. Der O-Ton des Interviewers kommt nur insgesamt zweimal in dem Bericht vor, deshalb ist er in Klammern gesetzt. Obwohl es sich um einen Fernsehbeitrag handelt, können nicht alle Texte als Sprechtexte oder gesprochene Texte bezeichnet werden.

Deshalb möchte ich erstens eine Unterscheidung zwischen O-Ton und Berichttext (Text B) treffen:

Berichttext: Die Wörter im Berichttext (MAZ-Skript) sind gut vorbereitet, wohlüberlegt und wohldosiert. Der Autor hat den Text geschrieben. Im Beitrag wird der Text nicht spontan gesprochen, sondern laut abgelesen. Bei dem Text des Berichterstatters handelt es sich also um einen Schrifttext. Diese Unterscheidung O-Ton und Berichttext muss berücksichtigt werden.

(Die O-Töne des Interviewers (zwei Fragen) werden mit dem Berichttext zusammengefasst, da es sich bei dem Autor des Berichttextes, um die Person des Interviewers handelt. Der einführende Text der Moderatorin soll Text B ebenfalls zugehörig sein.)

O-Töne: Der Autor des Beitrags hat sich die Frage gestellt, ob sich die Stellungnahmen des Interview-Partners für den Beitrag eignen und ob sie in den Gesamtzusammenhang hineinpassen. Die Sprache muss für das Publikum verständlich sein. Dass die Sätze nicht immer grammatisch richtig sind, kann von dem Autor nicht beeinflusst werden. Je spontaner und unüberlegter ein Satz, desto schlechter die Grammatik. Diese Tatsache wird aber erst klar, wenn man die Möglichkeit hat ein Gespräch zurückzuspulen und nochmal zu hören. Beim alltäglichen Reden bleiben uns diese Fehler verborgen. Sie entstehen durch sogenanntes Sprechdenken. Das Sprechdenken wirkt jedoch auf den Hörer natürlicher und verständlicher. O-Töne sind Sprechtexte.

Ich möchte außerdem eine Unterscheidung bezüglich der Sprache zwischen den O-Ton von Heinz Asthoff (Text A) und den O-Tönen des Arztes und der Ernährungswissenschaftlerin treffen. Hierfür sollen die O-Töne des Arztes und der Ernährungswissenschaftlerin zusammengefasst werden zu O-Ton der Experten (Text E).[2]

O-Ton Heinz Asthoff: Die Sprache von Heinz Asthoff ist frei heraus gesprochen. Er verwendet einen restringierten Code.

O-Ton Experten: Die Experten versuchen sich gewählt auszudrücken. Sie benutzen einen elaborierten Code und drücken sich mit Fachwörtern aus.

 

Weil sich alle Texte aufeinander beziehen, würde ich den gesamten Beitrag, trotz der oben beschriebenen Unterteilung, insgesamt als einen monologischen Text bezeichnen.

Das Besondere an dem gesamten Text ist, dass außerdem ein enger Zusammenhang zum Bild besteht. Beim Fernsehen erfolgt die Information zweikanalig, d.h. es werden zwei Sinne beansprucht: Auge (Bild) und Ohr (Text). Von Kommunikation kann jedoch nicht gesprochen werden, da der Empfänger vor dem Bildschirm nicht auf den Sender reagieren kann. Im Fernsehen wird ein gesprochener Text durch Bilder und Töne akzentuiert. Der Text kann ein Bild ergänzen oder unterstützen.

 

3.1. Wörter

 

Bei der Untersuchung des Textes wurden viele Wörter und Wortarten gefunden, die von Interesse sind. Bei der Analyse soll die oben beschriebene Trennung in die Untertexte berücksichtigt werden.

Anhand der Wortwahl in den Texten B, A. und E lassen sich einige Aussagen über die Absichten des Beitrags machen. Von großem Interesse ist vor allem die Bedeutung und die Funktion von Partikeln, einzelner Substantive und Verben.


3.1.1.Partikeln

 

Auffällig ist, dass Text B eine Reihe von Füllwörtern oder sogenannten Partikeln enthält. Füllwörter sind weglassbar ohne den Sinn eines Satzes zu verändern - ohne dass ein erkennbarer Informationsverlust eintritt. Partikeln sind unflektierbare Wörter oder Wortarten, die nicht satzgliedhaft sind. Sie weisen alleine keine lexikalische Bedeutung auf, können aber die Bedeutung ihrer Bezugselemente im Satz verändern. Partikeln können unterschiedliche Funktionen haben, sie können als Elemente zu Steuerung in einer Kommunikation durch den Sprecher angesehen werden können.

Harald Weydt unterscheidet folgende Funktionen:

a)   Gradpartikeln (nur, sogar auch)

b)   Modalpartikeln (ja, freilich, allerdings)

c)   Negationspartikeln (kein, nicht)

d)   Antwortpartikeln (ja, nein)

e)   Steigerungspartikeln (sehr, außerordentlich)

f)     Vergleichspartikeln (wie, als)

Die meisten Partikel sind polifunktional, d.h. sie können in zwei oder mehr Funktionen auftreten. Einige Partikeln können auch fungieren als

·       Konjunktionen

·       Präpositionen

·       Adverbien

·       Interjektionen

Wolf Schneider hat eine Füll- und Flickwörter-Liste [3] aufgestellt, an der ich mich orientiert habe. Folgende Füllwörter wurden in den Texten B, A und E gefunden:

 

Text B: mal, doch, völlig (2x), doch (3x), nur, denn (3x), allein, aber, fast, eigentlich, schon, wirklich;

Text A: ja (2x), ungefähr, aber (4x), ganz, mal, auch, schon, höchstens

Text E: also, ja, auch, nur, ungefähr, fast ungefähr, gar(nicht)

 

In den Beispielsätzen werden zur Vereinfachung teilweise Kürzungen vorgenommen, die jedoch nicht den Sinn des Satzes verändern. Die Analyse wird nicht dadurch nicht beeinträchtigt. Im Folgenden wird die Funktion der einzelnen Partikeln im Text analysiert.


1) mal

 

Mal kann neben seiner Verwendung als Modalpartikel auch als Temporaladverb (Warst Du schon mal in Schweden?) und als Konjunktion (2 mal 2 ist 4.) auftreten. Dabei handelt es sich um die verkürzte Form von einmal. Bei der Modalpartikel mal handelt es sich wohl ursprünglich auch um die verkürzte Form von einmal.

Die Modalpartikel mal kann in Aufforderungen, die Form von Imperativsätzen haben, auftreten:

*     Beispiel (1) aus Text B: Sagen Sie mal: Wieviel Brötchen essen Sie?

Weiterhin kann mal in bestimmten Entscheidungsfrage- oder Aussagesätzen vorkommen.

Die temporale Bedeutung des Adverbs ist in der Modalpartikel offenbar noch vorhanden. Der Ausführungszeitpunkt der gewünschten Handlung wird durch die Verwendung von mal  nicht präzisiert, sondern ‘verwischt’. Dem Zuhörer wird eingeräumt, sich frei für den Zeitpunkt das Ausführen der Handlung entscheiden zu können. Eine Aufforderungen mit mal wirkt abgeschwächter und höflicher als z.B. Aufforderungen mit sofort:

*     Beispiel: Sagen Sie sofort: Wieviel Brötchen essen Sie?

Der illokutive Akt der Aufforderung wird durch die Modalpartikel mal abgeschwächt. Da die Zuschauer vor dem Fernsehen, der Aufforderung der Moderatorin, nämlich zu sagen wieviel Brötchen sie zum Frühstück essen, sowieso nicht nachkommen können, ist die abschwächende Partikel mal in diesem Fall passend. Die Moderatorin könnte noch so dringliche Forderungen stellen, kein Mensch, der vor dem Fernsehen sitzt, wird direkt darauf eingehen - außer vielleicht ein zweijähriges Kind, das es nicht besser weiß! Durch das direkte Ansprechen wird der Zuschauer scheinbar in eine Kommunikation hineingezogen, die natürlich nicht wirklich stattfindet.

*     Beispiel (2) aus Text A: Da hab’ ich, will mal sagen, so zwei, drei Brötchen gegessen.

In diesem Beispiel wird durch mal im eingefügten Nebensatz die sowieso schon ungenaue (zwei, drei - oder vielleicht auch drei oder vier?) Aussage des Hauptsatzes verwischt. Für den Satz will mal sagen kann auch das Partikel ungefähr  eingesetzt werden.

 

2) doch

 

Doch kann in fünf verschiedenen Funktionen auftreten: Als Modalpartikel (Das habe ich dir doch gesagt!), als Konjunktion (Sie wollte schwimmen, doch es fing an zu regnen.), als Gliederungs- oder Antwortpartikel (Schmeckt es Dir nicht? - Doch, es schmeckt gut.) und als Adverb. Wenn doch satzintegriert und akzentuiert vorliegt, kann es als Affirmationsadverb bezeichnet werden. In dieser Verwendung dient doch der Zurückweisung eines vorangegangenen Kontrastes, einer Negation, eines Widerspruchs.

*     Beispiel aus Text B: Er mästet sich und bleibt doch ein dünner Hering.

Ähnliche Funktionen haben die Partikeln wohl und schon. Im Beispielsatz aus Text B liegt ein deutlicher Gegensatz vor: Sich mästen aber dünn bleiben.

*     Beispiel (1) aus Text B: Er bestellt für zehn - und isst doch alles selbst.

Auch dieser Satz enthält einen Widerspruch: Für zehn Mann Essen bestellen aber alles alleine essen.

*     Beispiel (2) aus Text B: Doch nicht nur das....

In diesem Satz fungiert doch als Konjunktionaladverb. Ein Konjunktionaladverb kann zwei Teilsätze miteinander verknüpfen und zeigen satzgliedhaftes Verhalten, d.h. sie können alleine im Vorfeld stehen. Im Beispiel bezieht sich der Satz auf die vorangegangenen Sätze (Fritten zum Frühstück. Für Heinz A. ist das völlig normal. Doch nicht nur das...). Die Sätze sind durch das doch inhaltlich miteinander verbunden.

*     Beispiel (3) aus Text B: Doch nach dem Trinken kommt langsam die Freßsucht.

In diesem Beispiel kann das Partikel doch durch aber ersetzt werden. Doch tritt hier in der Funktion einer koordinierenden Konjunktion auf. Auch hier werden zwei Gegensätze miteinander verbunden.

 

3) völlig

 

Das Wort völlig fungiert als Steigerungspartikel.

*     Beispiel (1) aus Text B: Für Heinz A. ist das völlig normal.

*     Beispiel (2) aus Text B: Er ist organisch völlig gesund.

Wie in den beiden Beispielsätzen steht das Partikel doch vor seinem Bezugwort (im Beispiel die Adjektive normal (1) und gesund (2)). Es kann sowohl betont als auch unbetont vorkommen. Mit doch wird der höchste Grad, der durch das Adjektiv bezeichneten Eigenschaft ausgedrückt. Dieser Grad ist nicht mehr steigerbar oder überschreitbar. Dasselbe kann durch die Ausdrücke äußerst, absolut, total bezeichnet werden.

 

4) nur

 

Neben der Funktion als Adverb (Die Ausstellung ist schön, nur ist es anstrengend durchzulaufen.) und Modalpartikel (Wie konnte das nur passieren?), kann nur auch als Gradpartikel auftreten:

*     Beispiel (1) aus Text B: Doch nicht nur das...

Nur bezieht sich in dem Beispiel auf das Bezugsglied das (das bezieht sich auf das Substantiv Fritten im vorrangegangenen Satz). Mit nur wird signalisiert, dass der Sachverhalt sich nur auf das Bezugsglied (das = Fritten) bezieht Ohne das Negationspartikel nicht, werden andere typengleiche Bezugsglieder ausgeschlossen: Nur das! Dem Bezugsglied kann so auch ein niedrigerer Platz in der Bewertungsskala zugewiesen werden: Nur das (und nicht mehr)! In dem Beispielsatz wird mit nicht verneint, dass sich der Sachverhalt nur auf das Bezugsglied beschränkt.

*     Beispiel (2) aus Text E: Alles andere ist nur vage Hypothese.

Auch in diesem Beispiel wird das Bezugsglied abgewertet. Das Adjektiv vage, wird dadurch negativer bewertet.

 

5) denn

 

Das Partikel denn kann als Modalpartikel verwendet werden (Kannst Du denn schon lesen?) oder wie in den folgenden Sätzen als koordinierende kausale Konjunktion.

*     Beispiel (1) aus Text B: Denn wenn er Essen bestellt, bestellt er für zehn.

*     Beispiel (2) aus Text B: Denn obwohl er krankhaft isst, gibt es dafür keine Ursache.

*     Beispiel (3) aus Text B: Denn wirklich leisten kann er sich das viele Essen schon lange nicht mehr.

In jedem Satz wird ein Bezug zum Vorangegangen hergestellt. Mit denn werden Sachverhalte begründet. Auffällig in allen drei Beispielen ist, dass denn jedes Mal einem anderen Partikel vorangestellt ist. Wird denn in allen drei Fällen weggelassen, besteht keine Veränderung der Bedeutung:

(1) Wenn er Essen bestellt, bestellt er für zehn.

(2) Obwohl er Krankhaft isst, gibt es dafür keine Ursache.

(3) Wirklich leisten kann er sich das viele Essen schon lange nicht mehr.

 

6) allein

 

Das Partikel allein tritt neben der Funktion als Adverb (Er fährt allein in den Urlaub.)und Adjektiv (Sie ist allein.) als Gradpartikel auf:

*     Beispiel aus Text B: Wo anderen allein beim Gedanken an Hamburger übel wird, wird er gleich zehn davon verspeisen.

In dem Beispiel fungiert allein als Gradartikel. Hier steht allein unbetont vor seinem Bezugsglied, der Substantivgruppe beim Gedanken an Hamburger. Allein hebt das Bezugsglied hervor, steigert seine Bedeutung für das Geschehen. Es wird ausgedrückt, dass von anderen Faktoren (z.B. beim Anblick) abgesehen wird.


7) aber

 

Aber kann sowohl als Modalpartikel (Jetzt reicht es mir aber!) als auch als Konjunktion auftreten.

*     Beispiel (1) aus Text B: Er beginnt zu trinken, ist aber seit sechs Jahren trocken.

Im Beispiel fungiert aber als Konjunktion. Mit aber werden zwei Gegensätze verbunden. Es wird eine Diskrepanz zwischen zwei Gegensätzen signalisiert: Früher hat er getrunken, aber jetzt ist er trocken. (Gegensätze: früher - heute, trinken - nicht trinken)

*     Beispiel (2) aus Text A: Ich hab’ jetzt gegessen, aber wenn ich jetzt aufsteh’, dann hab’ ich ein Gefühl, ob der Magen hohl wär.

Auch in diesem Satz werden zwei Gegensätze miteinander verbunden: Ich habe gegessen  aber habe Hunger.

*     Beispiel (3) aus Text A: Aber wovon ist das gekommen?

Der Satz ist im direkten Zusammenhang der Satzfolgen nicht richtig benutzt worden. Die Frage bezieht sich auf einen bestimmten Sachverhalt, der jedoch auch wieder einen Gegensatz ausdrücken soll: Wovon bekomme ich eine Krankheit, wo ich doch eigentlich jetzt gesund lebe (nicht mehr trinke)?

*     Beispiel (4) aus Text A: Die Ärzte haben gesagt, sie sind aber völlig gesund.

Auch in diesem Satz wird eine Diskrepanz deutlich: Ärzte diagnostizieren normalerweise Krankheiten, aber bei ihm finden sie nichts (er ist völlig gesund).

 

8) fast

 

Fast tritt ausschließlich als Gradpartikel auf. Es steht entweder betont oder unbetont vor dem Bezugsglied. Mit fast wird eine Einschränkung des Bezugsgliedes ausgedrückt und kann durch beinahe, nahezu ersetzt werden. Es wird angezeigt, dass der Zustand, der mit dem Bezugwort oder der Bezugswortgruppe angezeigt wird, nur annähernd, aber nicht vollständig erreicht wird.

*     Beispiel aus Text B: Zehn Minuten braucht er, um fast sein ganzes Tablett leer zu essen.

Der Zustand sein ganzes Tablett leer zu essen, wurde nicht ganz erreicht.

 

9) eigentlich

 

Neben der Funktion als Adjektiv (Im eigentlichen Sinne..) tritt eigentlich, wie im Beispiel als Modalpartikel auf. Als Modalpartikel kann eigentlich in Entscheidungsfragesätzen und in W-Fragesätzen auftreten.

*     Beispiel aus Text B: Sie erklärt, wieviel ein Magen eigentlich aufnehmen kann.

In diesem Satz tritt der W-Fragesatz als Nebensatz auf. Eigentlich signalisiert hier, dass es sich um einen schwierigeren, wesentlicheren Gedanken handelt. Dem gegenüber erscheint das bisher Gesagte (das Bekannte) als vordergründig, oberflächlich oder unwesentlich (bei tieferer Überlegung, wenn man es recht betrachtet). Einem Gespräch oder hiermit dem Text soll eine neue Wendung gegeben werden. Eigentlich bedeutet eine Hinwendung zu einem neuen Thema oder Gesichtspunkt. Im Beispiel wendet sich der Autor dem Magen zu, der wie Kalorien (das bisher Gesagte) beim Thema Eßstörung von Wichtigkeit ist.

 

10) schon

 

Schon kann in folgenden Partikelfunktionen auftreten: Als Temporaladverb (Der Zug ist schon angekommen.), als Gradpartikel (Er ist schon in der Schule.) oder als Modalpartikel (Bist Du schon fertig?).

*     Beispiel (1) aus Text B: Leisten kann er sich das Essen schon lange nicht mehr.

In dem Beispiel ordnet schon einen Sachverhalt so ein, dass sein Zutreffen früher eintritt, als ursprünglich erwartet. Es wird ein Zeitpunkt korrigiert. Das Wort bereits kann hier dieselbe Funktion übernehmen. Schon fungiert hier jedoch nicht als reines Gradpartikel sondern als Adverb oder Prädikativ. Schon steht im Beispiel vor dem Zeit-Adjektiv lange, worauf es sich auch bezieht.

*     Beispiel (2) aus Text A: Das hab’ ich auch den Ärzten schon gesagt.

In diesem Beispiel ist die Kombination auch und schon von Interesse. Die beiden Partikeln beziehen sich in einer sich widersprechenden Weise auf die vorherige Äußerung. Auch liefert eine Erklärung oder Begründung für den vorangegangenen Beitrag und bestätigt ihn damit, schon dagegen schränkt den vorangegangenen Beitrag in seiner Gültigkeit ein, und der Sprecher liefert gleichzeitig eine Begründung für diese Einschränkung.

 

11) ja

 

Neben seiner Verwendung als Modalpartikel, tritt ja häufig als Gradpartikel (Er half ihm, ja er setzte für ihn sein Leben aufs Spiel. ) und als Antwortpartikel (Kommst Du heute? - Ja, ganz bestimmt.) auf. In den Beispielen unten fungiert ja eindeutig als Modalpartikel.

*     Beispiel (1) aus Text A: Ich meine das drückt, weil das ja spannt.

*     Beispiel (2) aus Text E: Jede Energie wird ja als Wärme abgestrahlt.

*     Beispiel (3) aus Text A: Die Ärzte sagen ja selbst, sowas haben wir noch nicht erlebt!

In allen drei Beispielen ist ja unbetont, obwohl es auch häufig betont vorkommen kann.

In den Beispielen (1) und (2) wird mit dem ja ein Sachverhalt als dem Hörer bekannt, hier vor allem als allgemeingültig signalisiert. Der Sprecher bezieht sich auf ein gemeinsames Vorwissen und appelliert an Übereinstimmung mit dem Interviewer: (1) Ein voller Magen drückt, weil er - wie wir beide wissen - spannt (wenn man zuviel gegessen hat). (2) Jede Energie wird - wie wir alle wissen - als Wärme abgestrahlt.

In Beispiel (2) steht das ja in einem Ausrufesatz und drückt ein Erstaunen des Sprechers über den als außergewöhnlich empfundenen Sachverhalt. Dass Ärzte, die sonst immer alles wissen, sowas noch nicht erlebt haben, weist auf eine überraschende Diskrepanz von einem erwarteten und eben bemerkten Sachverhalt hin.

 

12) ungefähr

 

Bei ungefähr handelt es sich um einen Gradpartikel. Ungefähr steht vor oder nach seinem Bezugsglied, welches eines Substantiv- oder Präpositionalgruppe - häufig mit Zahl- oder Zeitangaben - sein kann.

*     Beispiel (1) aus Text A: Ich gehe dort ungefähr zwei Minuten raus.

Mit ungefähr wird die Genauigkeit des Bezugsgliedes eingeschränkt. Es kann durch etwa, annähernd ersetzt werden.

Bemerkenswert ist das folgende Beispiel, dass ich im gesprochenen Text einer Expertin gefunden habe:

*     Beispiel (2) aus Text E: Hier haben wir einen Magen, der hat eine normale Füllmenge von ungefähr (a) ein bis anderhalb Liter, und hier drüben haben wir einen stark erweiterten Magen, der fast ungefähr (b) das Doppelte, das heißt ungefähr (c) zwei bis drei Liter (enthält).

Der Satz beinhaltet gleich drei mal das Partikel ungefähr (a-c). Der Aussage der Expertin fehlt es somit gänzlich an Genauigkeit. Alles ist nur sehr vage ausgedrückt, die Zahl werden unpräzise angegeben. Die Aussage wirkt unsicher und unglaubwürdig. In Kombination mit der Partikel fast (b) wird die Ungenauigkeit noch unterstützt (vgl.17).

 

13) ganz

 

Das Partikel ganz ist ein Steigerungspartikel. Es steht betont oder unbetont vor seinem Bezugsglied (Adjektiv, Adjektiv-Adverb oder Adverb).

*     Beispiel aus Text A: Früher hab’ ich ganz normal gegessen.

Im Beispiel verstärkt ganz die Eigenschaft, die zum Ausdruck gebracht wird (normal). Der Wahrheitswert der Aussage wird nicht verändert. Ganz kann auch durch vollkommen, völlig, sehr oder absolut ausgedrückt werden.


14) auch

 

Auch kann in vier verschiedenen Funktionen Vorkommen: Als Adverb (Die Frau hat ihn auch gesehen.), Konjunktion (Was auch immer geschieht, ich bleibe.), Gradpartikel oder Modalpartikel (Du siehst nicht gut aus. - Ich fühl’ mich auch nicht gut.).

*     Beispiel (1) aus Text A: Früher hab’ ich auch mal so zwei, drei Brötchen gegessen.

In diesem Satz fungiert auch als Gradpartikel. Auch steht hier betont vor dem Bezugsglied (zwei, drei Brötchen). Auch fügt einen Tatbestand mehreren anderen gleichartigen Tatbeständen hinzu. Die Wörter ebenfalls, ebenso und gleichfalls bezeichnen dasselbe.

*     Beispiel (2) aus Text A: Das hab’ ich auch den Ärzten schon gesagt.

Hier wird der Tatbestand, etwas dem Gesprächspartner gesagt zu haben, dem Tatbestand, dieses ebenso den Ärzten gesagt zu haben, hinzugefügt.

Beispiel (3) aus Text E: Er kriegt auch kein Fieber.

Auch in diesem Beispiel handelt es sich bei auch um ein Gradpartikel. Hier ist auch jedoch unbetont. Es verstärkt die Aussage, durch die Beziehung auf das Bezugsglied (kein Fieber). Von dem Bezugsglied wäre zu erwarten, dass die Aussage dafür nicht zutrifft.

 

15) höchstens

 

Bei höchstens handelt es sich um einen Gradpartikel. Höchstens steht meistens vor seinem Bezugsglied - einer Substantivgruppe, meist mit Quantitäts- oder Qualitätsangabe oder oft eine Zahlenangabe, wie im unteren Beispiel:

*     Beispiel aus Text A: Einmal oder höchstens zweimal in der Woche.

Mit höchstens wird ein oberer Grenzwert in einer Skala signalisiert. Dieser Grenzwert kann nach oben hin nicht überschritten, kann aber nach unten hin unterschritten werden. Für höchstens können die Wortgruppen nicht mehr als, im äußersten Fall eingesetzt werden.

 

16) also

 

Also kann als Abtönungspartikel (Du verlässt mich also?) oder als Antwortpartikel verwendet werden.

*     Beispiel aus Text E: Also, wir können aufgrund der Untersuchungen nicht sagen, dass er eine krankhafte Veränderung hat.

Im Beispiel fungiert also abgesondert vor einer Aussage als Antwortpartikel (obwohl es sich nicht um eine direkte Antwort handelt). Das Partikel also fasst die vorangegangenen Gedanken zusammen und führt zugleich weiter, indem es die Aussage einleitet. In dem originalen ungekürzten Satz dient also auch vor allem zur Überbrückung einer Redepause (siehe Beitrag).

 

17) fast

 

Der Gradpartikel fast steht betont oder unbetont vor seinem Bezugsglied. Im Beispielsatz ist fast kombiniert mit ungefähr (vgl.12).

*     Beispiel aus Text E: Hier drüben haben wir einen sehr stark erweiterten Magen, der fast ungefähr das Doppelte (enthält).

Fast zeigt an, dass die Norm, die das Bezugswort bezeichnet (das Doppelte enthalten), nur annähernd aber nicht vollständig erreicht wird. Die Mengenangabe ist ungenau.

 

18) gar

 

Gar kann in vier Funktionen auftreten: Als Adjektiv (Das Gemüse ist gar.), als Modalpartikel (Er wird sich doch nicht gar verletzt haben?), als Gradpartikel (Sie zerschlug gar die gute Vase.) und als Steigerungspartikel wie im folgenden Beispiel:

*     Beispiel aus Text E: Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ein solcher Magen nicht zu Beschwerden führt.

Hier steht gar vor einem Negationswort (nicht). Die Negation wird damit verstärkt. Überhaupt ist ein Synonym für gar.

 

Der Haupterscheinungsbereich der Partikeln ist die Umgangssprache. In der gesprochenen Sprache finden Partikeln die häufigste Anwendung. Der Gebrauch von Partikeln steigt, je privater und informeller, persönlicher und assoziativer der Charakter des Gesprächs ist.

 

3.1.2. Wortwahl - Substantive, Verben, Adjektive, Synonyme

 

Substantive

Bei der Untersuchung der Wortwahl interessiert vor allem die Wortbedeutung.

In Text B wurden bei einer Anzahl von insgesamt 277 Wörtern 69 Substantive gefunden. In Text A wurden von 154 Wörtern 14 Substantive gefunden und in Text E wurden bei einer Anzahl von 140 Wörtern 16 Substantive gefunden. Die Substantive lassen sich thematisch ordnen.

Folgende Substantive habe ich den Oberbegriffen „Nahrungsaufnahme - Eßstörung“ zugeordnet habe:

Text B: ein Brötchen, das Frühstück (2x), der Hunger (3x), der Bauchspeck, die Bulimie, die Freßsucht (2x), die Krankheit, der Vielfrass, Fritten (2x), das Essen (2x), ein Hamburger (3x), das Trinken, Kalorien (3x), eine Cola, ein Teilchen, das Abendessen, das Gewicht, das Kilo, die Ernährungswissenschaftlerin, der Magen, die Freßorgie, die Toilette, die Gewichtszunahme, der Cholesterin-Wert, das Fett

Text A: ein Hamburger (2x), die Pommes Frites, der Magen, Brötchen, der Alkohol

Text E: der Magen (4x), das Essen

Weitere Substantive können dem Oberbegriff „Medizin“ zugeordnet werden.

Text B: die Krankheit (s.o.), die Nerven, das Phänomen, der Hausarzt, der Patient, die Ursache, der Körper, der Schmerz, der Cholesterin-Wert (s.o.), die Medizin, der Arzt,

Text A: die Ärzte (3x)

Text E: der Zustand, die Untersuchung, der Körper (2x), das Fieber, die Beschwerden

Sonstige Substantive, die im Text gefunden wurden:

der Mann, der Hering, die Spur, der Gedanke, der Frührentner, die Augen, der Bergkumpel, das Grubenunglück, die Frau, die Jahre, die Minute, das Tablett. der Tag (2x), der Fall, die Menge, der Spitzensportler, der Ausnahmefall, der Hochofen, der Ballon, das Rätsel, die Frührente, die Worte, das Gefühl (Text B), die Minute, das Gefühl, die Woche, der Mensch (Text A), der Mensch, die Veränderung, die Energie, die Wärme, die Hypothese, die Füllmenge, der Liter (Text E)

Eine Reihe der Substantive in Text B (oft im Zusammenhang mit anderen Worten oder Wortgruppen) können als umgangssprachlich bezeichnet werden:

Ein dünner Hering ist eine abwertende umgangssprachliche Bezeichnung für eine sehr schlanke Person. Bei Von Bauchspeck keine Spur. handelt es sich gleichzeitig um eine Ellipse und eine Redensart. Freßsucht bezeichnet eine meist psychisch bedingte krankhafte Eßstörung. Die betroffene Person isst aus Heißhunger übermäßig viel und leidet an den Folgen, wie Übergewicht, Kreislaufstörungen, Verdauungsprobleme etc. Mit der Silbe „Freß-“ wird ein Negativbild erzeugt. Auch der Ausdruck Vielfraß ist ein extrem negativ wertender Ausdruck für eine Person, die übermäßig viel isst. Fritten ist der umgangssprachliche Ausdruck für Pommes Frites. Allein beim Gedanken ist eine ironische Floskel, die in unserer Umgangssprache zur Übertreibung benutzt wird. Hamburger ist der geläufige Ausdruck für einen Bratklops aus Rindfleischhack in einem Brötchen und ist aus dem Englischen ins Deutsche importiert worden. Vor unseren Augen ist eine Wortgruppe oder Floskel, die das Unglaubliche aber sichtbar Sensationelle beschreiben soll. Bergkumpel ist eine Doppelung. Die Bezeichnung Kumpel ist die übertragene Bedeutung für Bergmann. Der Ausdruck Kumpel assoziiert Vertrautheit, da er auch die Bedeutung Freund, Kollege, Genosse haben kann. Cola ist der umgangssprachliche Ausdruck für ein Erfrischungsgetränk der Coca Cola Company aus Amerika, für das es im Deutschen keine andere Bezeichung gibt. Teilchen ist ein gängiger Ausdruck für einen kleinen Kuchen. Freßorgie: Das Wort Orgie ist ein Lieblingswort der Boulevard-Presse. Mit dem Begriff werden Feste mit (sexuellen) Ausschweifungen und wüste (Eß- und/oder Trink-)Gelage assoziiert. Die Boulevardblätter übertreiben meistens mit solch negativ belegten Wörtern. Die Silbe „Freß-“ bezeichnet zum einen, dass es sich ums Essen handelt und gibt dem Hörer ein „Extra“ an negativem Beigeschmack. Fett ist, im Zusammenhang mit Ernährung, für viele ein gängiges „Reizwort“.

Umgangsprache wird normalerweise in informellen und privaten Situationen in der täglichen mündlichen Kommunikation verwendet. Typisch für die Umgangssprache ist vor allem ihr Reichtum an festen bildhaften Ausdrücken und Wendungen.

Die Boulevardpresse verwendet häufig Kraftausdrücke - „nennt die Sache beim Namen“. Für den durchschnittlichen Zuschauer vertraute und allgemeinverständliche Wörter.(„Endlich nennt mal einer die Sache beim Namen!“). Auf diese Weise werden Sachverhalte oft völlig unreflektiert, unkritisch, einseitig und übertrieben dargestellt.

 

Verben

Einige Verben im Text lassen sich ebenfalls dem Begriffspaar „Nahrungsaufnahme - Eßstörung“ zuordnen:

essen (5x), verputzen, sich mästen, verspeisen, trinken, verschlingen, aufnehmen (Text B); essen (4x), trinken (Text A)

Hilfsverben (in Verbindung mit Wörtern, die den Oberbegriffen „Nahrungsaufnahme - Eßstörung“ zugeordnet werden können): (ein dünner Hering) bleiben, (Essen) bestellen, (übel) sein, (Hunger) haben, (das Gewicht) halten, (was er zu sich nimmt) ansetzen, (Kalorien) verbrennen, zu sich nehmen, (den Magen) überdehnen (Text B).

Die Synonyme verputzen, sich mästen, verschlingen für das Verb „essen“ werden sehr umgangssprachlich oder übertrieben verwendet.

Sonstige Verben: sagen, denken, beobachten, beginnen, zittern, verdunsten, platzen, erklären, hoffen, finden, helfen (Text B); aufstehen, drücken, spannen, gehen, kommen, trinken, sagen, erleben, geben (Text A); entsprechen, sagen, sein, haben, entstehen, abstrahlen, sich vorstellen (2x), kriegen, verbrennen, brauchen (2x), nehmen (2x), wissen, nennen, zu etw. führen (Text E).

 

Adjektive

Im Beitrag sind folgende Adjektive vorhanden:

*     als Adverbien: locker (locker verputzen), krankhaft (krankhaft essen) normal (normal essen);

*     als Attribute: dünn (dünner Hering), richtig (richtige Krankheit), warm (warmes Abendessen), normal (normales Gewicht), medizinisch (medizinischer Ausnahmefall), gesund (gesunder Mensch), krankhaft (krankhafte Veränderung), vage (vage Hypothese), normal (normale Füllmenge);

*     als Prädikate: freßsüchtig (er ist freßsüchtig), trocken (er ist trocken), hohl (der Magen ist hohl), kerngesund (er ist kerngesund);

*     als Partizip Präsens: erweitet (erweiteter Magen).

Auch einige Adjektive haben umgangssprachlichen Charakter:

locker ist ein geläufiger Ausdruck für „mit Leichtigkeit, leicht, ohne Anstrengung“, freßsüchtig ist das Eigenschaftswort zu Freßsucht (s.o.) und ist negativ wertend, das Adjektiv trocken bedeutet in der Umgangssprache, nach einer Alkoholsucht keinen Alkohol mehr zu trinken (er ist seit zwei Jahren trocken - er trinkt seit zwei Jahren keinen Alkohol mehr), kerngesund bedeutet absolut gesund zu sein (im Kern gesund).

 

Synonyme

Die zahlreichen Synonyme für den Bereich „Essen“ (besonders bei den Substantiven und Verben) machen den Text abwechslungsreich. Auch die Person Heinz Asthoff wird mit einer Anzahl von Synonymen wiederaufgenommen. Der Mann aus Hessen wird mit Titeln geschmückt, die nicht immer schmeichelnd sind (vgl. oben): dünner Hering, Vielfraß. Der Zuhörer erfährt aber auch einiges über seinen Beruf: Früher war er Bergkumpel, jetzt ist er Frührentner. Dass er kein ganz normaler Patient ist, liegt daran, dass er zugleich ein Phänomen, ein medizinischer Ausnahmefall, ein Rätsel für die Medizin ist. Heinz Asthoff aus Offenbach ist eine wichtige Person, die sich jeder Zuschauer merken sollte: Der bemerkenswerte Mann aus Hessen wird insgesamt zehnmal (!) beim Namen (Asthoff) genannt. Durch die Wiederholung des Namens und die Bezeichnung mit Metaphern, die das Außergewöhnliche ausdrücken, wird die Person Heinz Asthoff stark betont, aber nicht unbedingt ernstgenommen.

 

3.2. Sätze

 

Der gesamte Beitrag ist kohärent. Sowohl die Untertexte an sich (Vgl. 3.) als auch die Satzfolgen eines Untertextes beziehen sich thematisch aufeinander. Für die Analyse der Satzstrukturen möchte ich mich auf Text B beschränken, da vor allem dort bewusste Stilmittel eingesetzt wurden, die für die Bedeutung des Textes wichtig sind.

 

Satzlänge

Zunächst soll die durchschnittliche Satzlänge in Text B untersucht werden. Ludwig Reiners hat ein Schema über die Textverständlichkeit bei verschiedener Wortmenge pro Satz aufgestellt. Das Schema kann selbstverständlich nicht als allgemeingültig angesehen werden. Ich habe diese Werte beispielhaft in der unteren Tabelle aufgenommen.

 

Verständlichkeit nach Ludwig Reiners

Anzahl der Wörter pro Satz

Anzahl der Sätze mit der Wortanzahl (Text B)

sehr leicht verständlich

bis 13

41

leicht verständlich

14 -18

4

verständlich

19 -25

1

schwer verständlich

25 - 30

0

sehr schwer verständlich

31 und mehr

0

 

Dem Schema entsprechend ist der Text, der im Beitrag von der Moderatorin und vom Berichterstatter gesprochen wird (Text B), aufgrund der Wortanzahl pro Satz absolut verständlich. 41 von insgesamt 46 Sätzen, also weit über die Häufte der Sätze, beinhalten nur bis zu 13 Wörter. Warum die Sätze überwiegend kurz und prägnant sind, zeigt sich bei einer Untersuchung der Satzgefüge.

Bei den Sätzen in Text B handelt es sich zumeist um einfache Hauptsätze (HS).

Beispiele: Ein Mann aus Hessen verputzt locker zwanzig und hat danach immernoch Hunger (2 HS). Er mästet sich und hat danach immer noch Hunger (2 HS). Heinz Asthoff war Bergkumpel. Heinz Asthoff ist ein Phänomen.

Nebensätze (NS) werden sparsam an die Hauptsätze angehängt. Der Nebensatz wird meist vorangestellt.

Beispiele: Denn wenn Heinz Asthoff bestellt (NS), bestellt er für zehn. Er zittert nicht (HS), weil er Hunger hat (NS). Denn obwohl er krankhaft isst und isst (NS), gibt es dafür keine Ursache. Obwohl Herr Asthoff soviel ißt (NS), hält er ein normales Gewicht von 90 Kilo (HS).

Hauptsatz mit Nebensatz und einfacher Hauptsatz wechseln sich im Text ab. Diese Sätze haben wegen ihrer einfachen Konstruktion keine Überlänge.

Eine Kürze der Sätze wird außerdem erreicht durch Ellipsen. Es werden sprachliche Elemente ausgespart, die aufgrund von syntaktischen Regeln oder lexikalischen Eigenschaften notwendig sind. Elliptische Sätze treten meist im Kontext auf und können sich auf Vorhergesagtes beziehen. Die folgenden Ellipsen wurden in Text B gefunden. Die in Klammern gesetzten Wörter oder Wortgruppen wurden von mir ergänzt:

Ein Mann aus Hessen verputzt locker zwanzig (Brötchen).

Von Bauchspeck (ist) keine Spur (zu sehen).

Fritten zum Frühstück.

Doch nicht nur das (ist normal für Herrn A.).

Morgens (um) halb zehn (Uhr) in Deutschland.

In unserem Fall (verschlingt er):

8000 Kalorien - die Menge eines Spitzensportlers - (werden) ohne zuzunehmen (verschlungen).

Auch für seinen Hausarzt Dr. Henning Hüsch (ist er ein Phänomen).

Und auf die Toilette muss er selten (gehen).

(Er hat) keine Schmerzen, keine Gewichtszunahme, keine sonderlich erhöhten Cholesterinwerte.

Auffallend ist, dass viele Sätze wiederholt werden. Der Sachverhalt eines Satzes wird häufig mit anderen Worten (Vgl.3.1.2.) wiedergegeben:

Ein Mann aus Hessen verputzt locker zwanzig (Brötchen) (A1) und hat danach immer noch Hunger. Er mästet sich (A2) und bleibt doch ein dünner Hering (B1). Von Bauchspeck keine Spur (B2). Als seine Frau stirbt, beginnt er zu trinken (C1), ist aber seit sechs Jahren trocken. Doch nach dem Trinken (C2) kam die Freßsucht. (A1 = A2 , B1 = B2, C1 = C2)

Vorangegangene Inhalte werden immer wieder erneut aufgenommen. Die Inhalte stehen auch oft einleitend im Berichttext und werden als O-Ton wiederholt:

Text B: Heinz Asthoff ist organisch völlig gesund. Entspricht dem darauffolgenden Text E (O-Ton): Der Zustand des Magens entspricht den eines völlig gesunden Menschen...

 

3.3. Ergebnisse

 

Bei der Untersuchung der Wörter wurde herausgefunden, dass der Text, vor allem Text B, der als Schrifttext charakterisiert wurde, durch die Verwendung von Partikeln und durch eine informelle Wortwahl umgangssprachlichen Charakter besitzt.

Bei der Untersuchung der Satzstruktur wurde ausgemacht, dass die Sätze äußerst kurz formuliert sind. Dies ist zum Verständnis des Textes von Vorteil und bei Sprechen im Fernsehen unbedingt nötig. Doch der Sachverhalt in dem vorliegenden Beitrag ist recht simpel. Er hätte wesentlich kürzer formuliert werden können. Durch die Wiederholungen wurde der Text verdoppelt:

 

Erst sage ich den Leuten, was ich Ihnen sagen werde. Dann sage ich es ihnen. Dann sage ich ihnen, was ich ihnen gerade gesagt habe.[4]

 

Es liegt im Text eine Wort- und Satzredundanz vor. Bei Wortredundanz werden zum einen mehr Wörter verwendet als zum Verständnis erforderlich sind (z.B. Synonyme). Zu anderen handelt es sich um Flickwörter (Partikeln) und Wortwiederholungen. Satzredundanz meint z.B. die wörtliche oder sinngemäße Wiederholung von Sätzen. Redundanz ist beim Fernsehjournalismus durchaus erwünscht: Die wichtigsten Fakten sollen gelegentlich wiederholt werden, weil Gesagtes leichter wieder vergessen wird[5]. Die Redundanz im Beitrag grenzt jedoch schon stark an Abundanz (lat. der Überfluss): So ist das Wort essen im Beitrag mit den Begriffen verschlingen, sich mästen austauschbar (vgl. 3.1.2). Diese Wörter können aber auch ganz andere Assoziationen erwecken. Nicht nur bei den Texten beherzigt EXPLOSIV die Redundanzregel: Selbst Bilder werden wiederholt. Trailer[6] mit den immer selben Bildern werden während einer EXPLOSIV-Sendung „Xmal“ wiederholt. Es kommt auch oft vor, dass während eines Beitrag ein Bild wiederholt wird - wahrscheinlich, weil nicht genügend Bildmaterial vorhanden ist.

 

Zwar mögen einige Kriterien für guten Journalismus erfüllt sein, so geht es doch bei dem vorliegenden Beitrag vor allem um den Inhalt. Es stellt sich die Frage, wie der Sachverhalt seriöser hätte dargestellt werden können. Offensichtlich geht es bei EXPLOSIV lediglich darum ein alltägliches, privates Thema möglichst spektakulär an die Öffentlichkeit zu bringen, um die Leute zu unterhalten und die Sensationslust der Zuschauer zu stillen. Im Falle des Herrn A. geht es offenbar leider nur darum, die Kuriosität des Mannes der Masse vorzuführen, und nicht darum eine ernstzunehmende Krankheit sachlich darzustellen.

 

Bei der Geschichte von Herrn A. handelt es sich außerdem um ein sehr privates Thema, welches in der Öffentlichkeit, vor allem in trivialen Frauenzeitschriften regelmäßig ausgebreitet wird. Alles, was mit Essen, Gewicht, Diät, Krankheit und Eßstörung zu tun hat, wird auf diese Weise zu einem öffentlichen Thema. Deshalb mag bei einem spektakulären Thema wie Freßsucht auch reges Interesse in den privaten Wohnstuben beim Fernsehen, der neuen privaten Öffentlichkeit bestehen:

 

Wir liefern den Gesprächsstoff für morgen. (Barbara Eligmann)

 

Privat kann ein jeder über ein vermeintlich öffentliches Thema diskutieren. Ich habe mir die Frage gestellt, welche Themen es wert sind an die Öffentlichkeit gebracht zu werden. Denn über ein Thema Meinungen auszutauschen bedeutet noch nicht, dass es sich um ein öffentlich relevantes Thema handelt. In der Öffentlichkeit sind v.a. Themen, die alle etwas angehen, wichtig wie z.B. politische Themen. Die Eßstörung eines Mannes, ist zwar kein Tabuthema, aber eine Privatsache, die er mit seinen Ärzten und näheren Angehörigen diskutieren sollte, die aber der großen Öffentlichkeit in keinster Weise bedarf, es sei denn in Form von Informationssendungen für Betroffene. Mit diesem Thema, wie es in EXPLOSIV dargestellt wurde, wird nur die Neugier der Menschen gestillt, in das Wohnzimmer des Nachbarn hineinzuschauen. Wie die Geschichte im Beitrag werden in EXPLOSIV tagtägich Geschichten von gewöhnlichen Leuten erzählt. Wenn es sich um ein Thema handelt, welches in den allgemeinen Nachrichten bereits ein Aufmacher ist, werden von EXPLOSIV die privaten Seiten beleuchtet, vor allem die Gefühle von betroffenen Personen.

 

Oberstes Kriterium für ein EXPLOSIV-Thema ist die Perspektive der Betroffenen.

 

Mit der Verwendung von O-Tönen soll Authenzität erlangt werden. Meinungen die von Betroffenen persönlich geäußert werden wirken natürlich, spontan und glaubhaft. Die in den O-Tönen verwendete Umgangssprache (oft auch dialektal geprägt) des „einfachen Mannes“, wird von dem durchschnittlichen Zuschauern verstanden. Die O-Töne der Experten wirken weniger spontan, sondern eher gestelzt. Es werden mehr Fachausdrücke verwendet. Ich meine, dass die Experten nur die Funktion erfüllen, den Bericht mit scheinbar stichhaltigen Argumenten und Beweisen glaubwürdiger zu machen.

Mit der Person Heinz A. wurde ein einfacher Mann gefunden, mit dem sich ein Großteil der Menschen identifizieren kann. Er ist ein Mann wie Du und ich - und doch ist er ungewöhnlich!



[1] Schneider (1984): S. 206

[2] Für die gesamte Arbeit sollen die Abkürzungen Text B, Text A und Text E gelten.

 

[3] Schneider (1984): S.120ff

[4] In: Schneider (1984): S. 137

[5] Pürer (1991): S.234

[6] Bei EXPLOSIV der Vorspann für einen Beitrag, der ein Aufmacher (meist eine Sensationsstory) sein soll. Dieser Beitrag wird aber bis zum Schluss der Sendung aufgespart, um die Spannung und Neugier des Zuschauers zu erhöhen. Der Trailer kehrt während der Sendung regelmäßig wieder.